„Rettet den Drill“ ist ein Projekt, das der Charity-Kalender in fast allen Jahren unterstützt hat. Die Drills sind eine in der Öffentlichkeit nahezu unbekannte Primatenart, die ausschließlich in Kamerun, Nigeria und auf der Insel Bioko (Äquatorial-Guinea) vorkommt, ihr IUCN-Status ist „stark gefährdet“. Ohne Zoos würde wohl kaum jemand von dieser schon in ihrer Heimat kaum bekannten Art wissen. Damit Arten in Zoos genetisch sinnvoll gemanaged werden können, ist ein Erhaltungszuchtprogramm notwendig, das federführend in einem Zoo geführt werden muss – beim Drill liegt diese Aufgabe im Erlebnis-Zoo Hannover und bei EEP-Koordinator Fabian Krause. Über dessen Aufgaben haben wir uns unterhalten:
Charity Kalender: Herr Krause, vor einigen Jahren haben wir ein Interview mit Carsten Zehrer als Zuchtbuchführer für die Drills geführt. Nun haben Sie den Posten übernommen. Wie kam es zum Wechsel?
Fabian Krause: Die Koordination eines Erhaltungszuchtprogramms (EEP) bedeutet eine Menge Arbeit und die Koordinatoren sind in der Regel erst einmal Kurator, Zoologischer Leiter, Tierarzt oder Registrar. So kann es auch mal dazu kommen, dass man eine Aufgabe weitergeben muss. Die Koordination des Drill-EEPs wurde vakant und ich konnte mich mit meiner Erfahrung im Populationsmanagement, aber auch mit der Expertise meiner Kollegen in der Tierpflege in Sachen Drillhaltung und -zucht gegen einige Mitbewerber durchsetzen. Da das Drill-EEP im Zoo Hannover seinen Anfang genommen hat, freut es mich natürlich, dass dieses Programm wieder nach Hannover zurückgekehrt ist.
Mehr noch freut mich aber, dass der langjährige Koordinator Carsten Zehrer mir als stellvertretender EEP-Koordinator weiterhin zur Seite steht. Wir kennen uns lange und gut und seine Erfahrung mit der Population der Drills in den europäischen Zoos wird auch für unsere weitere Arbeit sehr wichtig bleiben.
CK: Seit wann beschäftigen Sie sich mit Drills / wie sind Sie mit dem Thema Drills in Kontakt gekommen?
Krause: Ich habe meine Zoo-Laufbahn 2011 hier in Hannover als Volontär begonnen und übernahm dann zwei Jahre später als Kurator unter anderem die Verantwortung für die Primaten im Erlebnis-Zoo. Wenn man wie ich einerseits ein starkes Interesse an Primaten und andererseits an der historischen Entwicklung der Zootierhaltung mitbringt, dann kommt man in Hannover an den Drills nicht vorbei. Nicht zuletzt auch wegen der engen Verknüpfung von Rettet den Drill e.V. und dem Erlebnis Zoo Hannover.
CK: Zum Zeitpunkt des letzten Interviews hielten 17 europäische Zoos ca 90 Drills. Inwiefern hat sich die Ausgangslage geändert?
Krause: In den europäischen Zoos leben aktuell 101 Drills in 14 Zoos. Die Anzahl der Halter wird sich aber in 2025 voraussichtlich wieder auf 17 erhöhen. Drei Zoos bereiten aktuell neue bzw. zu überarbeitende Anlagen für Drills vor. Um die Drill-Population in europäischen Zoos langfristig demografisch stabil halten zu können, benötigen wir etwa 150 Tiere. Dieses Ziel wurde 2023 im Long Term Management Plan für das Drill EEP formuliert.
CK: Bei einigen Tierarten in Zoos ist die Zucht nur sehr restriktiv möglich aufgrund des begrenzten Platzes. Wie ist die Situation bei den Drills in dieser Hinsicht – kann dort jeder Halter züchten, der möchte?
Krause: Nein, beliebig Züchten geht gar nicht. Die Kapazität Tiere zu halten, spielt dabei eine maßgebliche Rolle, innerhalb eines Zoos, aber auch über das europäische Netzwerk hinweg. Ziel muss sein, die Population noch etwas weiter zu vergrößern, um eine langfristig genetisch gesunde und stabile Population erhalten zu können. Dazu braucht es neben ausreichend Haltern auch eine größere Flexibilität der Haltung in den einzelnen Zoos, also beispielsweise die Möglichkeit Nachwuchstiere nach einigen Jahren vorrübergehend in einen separaten Kleingruppe zu halten, um sie dann wieder in eine Zuchtsituation zu transferieren.
CK: Welches sind die nächsten Ziele für das EEP, mit welchen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen?
Krause: Mit der Anzahl der Halter hängen unmittelbar Flexibilität und Dynamik des Populationsmanagements zusammen. Dazu braucht es aber des Weiteren auch verschiedene Sozialgruppenstrukturen, wie zum Beispiel Bachelorgruppen. Mit diesen und auch mit Vergesellschaftungen von Drills mit anderen Tierarten müssen wir in der Zukunft mehr Praxiserfahrung sammeln. Die Vergesellschaftung von Drills und Brazza-Meerkatzen funktioniert sehr gut. In diesem Jahr haben beide Arten Jungtiere aufgezogen. Für den Erlebnis-Zoo ein toller Erfolg mit Vorbildcharakter, die dem Drill im Rahmen der Tierbestandsplanung anderer Zoos nochmal mehr Attraktivität verleiht.
CK: Drills sind nicht nur in Zoos selten zu sehen, sondern auch in der Natur eine stark gefährdete Art. Inwiefern besteht ein Austausch mit den Auffangstationen in Kamerun und Nigeria?
Krause: Das Drill-EEP ist seit jeher über „Rettet den Drill“ eng mit den Stationen in Kamerun und Nigeria verbunden. Der Austausch von Erfahrungen im Bereich der Tierhaltung aber auch tiermedizinischen Betreuung ist für beide Seiten wichtig. Ob in der Zukunft auch eine Kooperation im Sinne des Populationsmanagements aufgebaut werden, wage ich nicht zu sagen, denn für den Transfer von Tieren bestehen große politische und bürokratische Barrieren.
Sicher bin ich aber, dass die Drill-haltenden Zoos in Europa für die Arbeit der Stationen in Afrika einen Unterschied machen können. Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising ist ein fundamentaler Teil der Arbeit von Zoos in Richtung In situ Artenschutz. Und dabei helfen uns die Tiere in unserer Obhut.