Namibia ist grundsätzlich das Land schlechthin für Spitzmaulnashörner. Etwa ein Drittel der Spitzmaulnashornpopulation lebt hier – wahrscheinlich sogar die einzigen überhaupt, die noch außerhalb von Schutzgebieten zuhause sind. Dennoch ist auch Namibia weit vom Paradies für die Art entfernt, die Wilderei macht auch vor dieser Region keinen Halt. Jedes Jahr wird eine höhere zweistellige Anzahl an Nashörnern auf der sinnlosen Jagd nach dem Horn getötet, das in der traditionellen asiatischen Medizin angeblich Krebs heilt oder für Potenz sorgt, was bekanntlich kompletter Unsinn ist, da das Horn aus Keratin besteht und damit aus demselben Material wie unsere Finger- und Fußnägel.
Der Staat Namibia hat daher auch private Wildlifereservate gebeten, dass dort Tiere eingestellt werden, da dort ein besserer Schutz möglich ist. Meist wird dort auch das Horn bei den adulten Tieren abgeschnitten, um den Wilderern erst gar keinen Anreiz zu geben, das Tier zu töten. Einerseits verständlich, andererseits eine traurige Entwicklung wenn die Nashörner zu ihrem eigenen Schutz nicht mehr so aussehen können wie sie es eigentlich sollten.
Spitzmaulnashörner unterscheiden sich in einigen Punkten von den bekannteren Breitmaulnashörnern. Der Name der Arten ist dabei nicht nur ein optisches Merkmal, sondern stellt gleichzeitig einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden afrikanischen Nashornarten heraus. Während die Breitmaulnashörner ihr Maul praktisch als Staubsauger auf der Erdoberfläche einsetzen, um Gras abzufressen, nutzen die Spitzmaulnashörner ihr kleineres Maul, um an den Sträuchern und Pflanzen die Knospen und Blätter abzuknabbern. Entsprechend benötigen Spitzmaulnashörner eher Strauchgebiete, während Breitmaulnashörner auf offenes Grasland angewiesen sind.
Aber auch im Verhalten unterscheiden sich beide Arten grundlegend. Breitmaulnashörner sind die wesentlich sozialeren Tiere. Die Bullen sind auch hier Einzelgänger, aber die Kühe kommen durchaus in Verbänden mit ihrem Nachwuchs vor. Die Spitzmaulnashörner sind dagegen pure Einzelgänger. Was beide Arten verbindet, ist ihre Kurzsichtigkeit – sie verlassen sich auf ihren stark ausgeprägten Geruchs- und Hörsinn. Breitmaulnashörner gelten dabei als die deutlich friedlichere Art. Wie es ein Buschmann ausdrückte beim Anpirschen an ein Spitzmaulnashorn: „Wenn sie dich riechen gibt es nur zwei Möglichkeiten: sie greifen an oder sie hauen ab.“
Wie aber kommt man an eine Aufnahme wie dieses Portrait der Augenregion bei einem Spitzmaulnashorn, aufgenommen mit einem 300er Objektiv ohne Stativ? Dabei muss man sich an das oben geschriebene erinnern: Tiere werden auf privaten Schutzgebieten eingestellt. In diesem Fall handelt es sich um ein noch recht junges wenngleich schon erwachsenes Tier, dessen Mutter nicht die Kraft hatte, um es aufzuziehen. Es folgt eine Entscheidung wie sie auch ein Zoo gelegentlich treffen muss: lässt man das Tier sterben oder zieht man es künstlich groß? Im Normalfall wählt man die erste Variante, weil das Tier sich auf den Menschen prägt und oftmals später kein normales Leben mit Artgenossen mehr möglich ist. In diesem Fall entschied sich das Team des Wildlife Reserves für die Handaufzucht. Dieses Spitzmaulnashorn war inzwischen entwöhnt, aber verließ nicht den Aktionsradius um die Farm herum, weswegen man eben ein solches Bild machen konnte – das Tier hatte keinen natürlichen Fluchtinstinkt vor Menschen, was beim Eintreffen von Wilderern den sicheren Tod bedeuten würde. Zum Zeitpunkt des Besuchs stand bereits fest, dass ein Umzug in ein anderes privates Reservat anstehen würde, um den jungen Bullen von der Farm wegzubekommen und in der Hoffnung, dass man ihn so noch zu einem normalen Nashornleben bewegen kann. Ein solcher Austausch hätte früher oder später aus genetischen Gründen ohnehin stattfinden müssen, denn das ist in Schutzgebieten nicht anders als in Zoos auch, eine Zucht mit Verwandten sollte vermieden werden.
ARTENPROFIL | SÜDWESTLICHES SPITZMAULNASHORN |
Art: | Spitzmaulnashorn |
Unterart: | Südwestliches Spitzmaulnashorn |
Wissenschaftl. Name: | Diceros bicornis occidentalis |
Vorkommen: | Namibia, Südafrika, Angola |
IUCN Status: | vom Aussterben bedroht |
Nachwuchs: | 1 Jungtier nach 15-18 Monaten Tragzeit |
Ernährung: | Pflanzen, Blätter, Äste, Zweige |
Feinde:
Lebenserwartung: |
Für Jungtiere Löwe, Hyäne
Kühe 30-40 Jahre, Bullen 20-30 Jahre |