Es macht zur Zeit eine Meldung aus England die Runde, dass ein Zoo – der Howletts Wild Animal Park aus Kent – 13 seiner 14 Afrikanischen Elefanten in Kenia auswildern möchte. Man sei zur Erkenntnis gelangt, dass man die Tiere in einem Zoo nicht artgerecht halten könne und habe in Zusammenarbeit mit dem Sheldrick Wildlife Trust und dem Kenya Wildlife Service diese Aktion geplant, in der die Tiere im kommenden Jahr mit einem Flieger nach Kenia gebracht werden sollen. Da dieses Thema perfekt zum Kalender „Wildlife of Kenya“ passt – erst im Mai wurde das Thema Afrikanische Steppenelefanten angerissen (https://charity-kalender.de/de/mai-kalenderbild-afrikanischer-steppenelefant) – sei an dieser Stelle ein Kommentar zu der Aktion erlaubt.
Sicher ist, dass Tiere grundsätzlich in die Natur gehören. Sicher ist, dass Zoohaltungen in vielen Fällen nicht optimal sind. Ganz sicher ist auch, dass Zoos mehr dafür unternehmen könnten, dass Tiere auch wieder in der Natur angesiedelt werden – dies geschieht bereits und es wurden einige Arten gerettet, die ohne Zoos nicht mehr existieren würden, dennoch ist natürlich Luft nach oben vorhanden. In Kenia beispielsweise wäre eine Blutauffrischung durch Zoobestände gerade bei den hochgradig vom Aussterben bedrohten Bergbongos sehr angebracht – gerade wenn man bedenkt, dass der Zoobestand das fünf- bis zehnfache des Wildbestands ausmacht. Es gibt aber auch Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit dies überhaupt Sinn macht. Die entscheidende Frage ist wie dies in diesem Fall bei den Elefanten aussieht.
Natürlich kann man aus Sicht der Zooelefanten auf den Gedanken kommen, dass sie es in der Natur viel besser hätten. Aber ist dies wirklich so? Die Jagd nach dem Elfenbein ist trotz drakonischer Strafen auch in Kenia nach wie vor ein Thema. Partner der Aktion sollen laut Aussagen aus England der Sheldrick Wildlife Trust und der Kenya Wildlife Service sein. Sheldrick betreibt in Kenia zwei Elefanten-Waisenhäuser. Wenn jemand weiß, dass Wilderei im Land existiert, sind sie es – die Folgen davon versorgen sie täglich. Von Sheldrick gibt es bislang keine Aussage zu dieser Aktion. Dem Vernehmen nach sollen die Tiere sich zunächst sechs Monate auf deren Grundstück einleben. Wie aber steht es danach um die Zooelefanten? Die Tiere sind umsorgt aufgewachsen, kennen keine Gefahren, keine Feinde, kennen für die Eigenversorgung das lokale Futter nicht und kennen keine Wanderrouten. Vor allem die letzten beiden Punkte stellen ein Problem dar, denn die Elefantenherden werden in der Natur von den erfahrensten Kühen angeleitet, die ihrerseits ihr Leben lang von den Älteren gelernt haben – dies können sie nicht in sechs Monaten auf einem umzäunten Gelände der Stiftung nachholen. Die Auswilderung stellt ein äußerst hohes Risiko für die Herde dar. Es kann mal wert sein ein solches Wagnis einzugehen wenn die Situation es erfordert, aber ist dies in Kenia der Fall?
Wie im Mai-Bericht geschrieben, hat sich der Bestand an Kenias Elefanten in den letzten Jahrzenten auf etwa 35.000 verdoppelt. Das ist sehr positiv, heißt aber nicht, dass unendlich viel Lebensraum vorhanden ist. Im Gegenteil, je größer die Population, desto mehr Mensch-Tier-Konflikte sind vorprogrammiert, von daher ist das Wachstum limitiert. In Namibia, einem anderen Land mit sehr positiver Elefantenentwicklung, stehen 170 Elefanten zum Verkauf an, weil es mehr geworden sind als das Land vertragen kann – natürlich eine fragwürdige Aktion, aber es zeigt deutlich die vorhandenen Limits auf. Kenia hat eben diese großartige Entwicklung von sich aus geschafft, dafür bedurfte es keiner externen Hilfe durch Zoopopulationen, das Land hat überhaupt keinen Bedarf für externe Elefanten. So ist es keineswegs verwunderlich, dass die staatliche Naturbehörde, der Kenya Wildlife Service, verdutzt auf die Meldung aus England reagierte und angab von der Aktion überhaupt nichts zu wissen. Ohne deren Zustimmung wird kein Transport nach Kenia stattfinden können.
Auf diese Art verkommt die Aktion zu einer Mischung aus PR-Gag und blindem Idealismus, den die Elefanten mit ihrem Leben bezahlten könnten. Wenn man einen solchen Transport wagen möchte, dann sollte dies in ein Land mit niedrigem Elefantenbestand geschehen, das nichtsdestotrotz einen intakten Lebensraum für die Tiere bieten kann sofern diese Kombination überhaupt irgendwo besteht. Wie unterschiedlich in Afrika die Situation ist, zeigt, dass die Länder Südafrika, Namibia, Botswana, Simbabwe und Sambia einen Antrag auf Herabstufung des Elefantenschutzes gestellt hatten, um Handel mit Elefantenprodukten betreiben zu dürfen – in diesen Ländern leben etwa zwei Drittel aller Afrikanischen Steppenelefanten. Zehn andere afrikanische Länder, darunter Kenia, haben hingegen erfolgreich beantragt, den strengen Schutz aufrechtzuerhalten. Selbst wenn man eine Nation findet, die sinnvoll eine Herde aufnehmen kann, sollte man sich im Klaren sein, dass die Herde behutsam in einem viele Jahre dauernden Prozess Schritt für Schritt an größer werdende Freiheiten gewöhnt werden muss.
Übrigens, Howlett hält auch besagte Bergbongos. Vielleicht sollte man Kosten sparen und eine Art auswildern, bei der es mehr Sinn macht und die erfolgsversprechender ist. Oder sind Antilopen vielleicht nicht pressetauglich genug?!?