Artenschutz gilt als etwas, das man in Afrika und Asien betreiben muss. Dass dies auch vor der eigenen Haustür vonnöten ist, wird gerne verdrängt, erst recht wenn eine Art scheinbar unspektakulär daherkommt. Der Europäische Nerz, von der IUCN als vom Aussterben bedroht gelistet, ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
In Deutschland galt der Nerz seit 1925 als ausgestorben. In Osteuropa waren die Vorkommen noch größer, allerdings wurde er wegen seines Fells bejagt, etwa 50.000 Tiere kamen in Russland pro Jahr dadurch um. Nicht besser wurde die Lage der Nerze als in den 1950er Jahren der Amerikanische Mink importiert wurde – eine größere Marderart, die den Pelztierfarmern mehr Ertrag und weniger Aufwand versprach. Als der allerdings aus den Pelztierfarmen entkam, verdrängte er sein kleineres europäisches Pendant und breitete sich hier aus. Die am Wasser lebenden Nerze hatten aber nicht nur mit dem Mink, sondern zusätzlich noch mit Flussbegradigungen, Waldrodungen und Gewässerverschmutzung zu kämpfen. Seit 2011 gilt die Art offiziell als vom Aussterben bedroht, lediglich isolierte Populationen in Russland, Frankreich und Spanien gibt es noch.
In Deutschland hat sich im April 1998 ein Verein gegründet, der es sich zum Ziel gemacht hat, den Nerz hierzulande wieder anzusiedeln. Bei einer Forschungsarbeit der Universität Osnabrück gelang 1997 aus Novosibirsk erhaltenen Tieren die erstmalige Nachzucht in menschlicher Obhut in Westeuropa, ein Anstoß für den Verein „Euronerz“. Auf dem Gelände des Vorsitzenden Wolfgang Festl im Osnabrücker Land wurde eine provisorische Verpaarungsstation eingerichtet, in der die strikten Einzelgänger unter Aufsicht verpaart werden. Die trächtigen Fähen werden dann in viele Tierparks der Republik gefahren, wo sie den Nachwuchs zur Welt bringen. Dies gibt die Gelegenheit, in den Parks auf die Situation der Nerze aufmerksam zu machen. Im Alter von drei Monaten ist der Nachwuchs selbständig und muss von der Mutter getrennt werden, die Einzelgänger möchten sich nicht länger sehen. Die Fähen kommen zurück ins Zuchtzentrum und der Nachwuchs wird selektiert. Da Nerze nur in den ersten drei Lebensjahren – die Lebenserwartung beträgt maximal zehn Jahre – Nachwuchs zur Welt bringen, muss ein Drittel der Fähen immer zur Zucht verbleiben. Die übrigen Tiere werden vom Zuchtbuchkoordinator im estnischen Tallinn verwaltet und damit auch ausgewählt, welche Tiere in einer nächsten Stufe für die Wiederansiedlung vorgesehen werden.
Bislang gibt es zwei Ansiedlungsgebiete, zum einen im Saarland, zum anderen am Steinhuder Meer. Im Saarland wird seit 2006 versucht, den Nerz wieder anzusiedeln, bislang mit mäßigem Erfolg. Besser sieht es in Niedersachsen am Steinhuder Meer aus, wo das Projekt seit 2010 stattfindet und nachweislich auch schon Nachwuchs im Freiland zur Welt kam. Bevor die Tiere allerdings angesiedelt werden können, müssen sie auf die Freiheit trainiert werden, was in der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen geschieht.
Der Vorsitzende des Vereins, Wolfgang Festl, dem seinerzeit als Mitarbeiter an der Uni Osnabrück die erste Nachzucht gelang, und der mittlerweile als Revierleiter im Zoo Osnabrück arbeitet, fährt für die Nerze etwa 15.000 Kilometer pro Jahr in seiner Freizeit. Nebenbei steht derzeit ein Neubau der Zuchtstation auf dem Programm, ein finanzieller Kraftakt für den Verein, der zum Teil von der Haarmann-Stiftung finanziert wird. Immerhin ist für das Futter der Tiere in der Aufzuchtstation gesorgt – vom Volumen etwa sechs Eintagsküken pro Nerz je Tag – denn das trägt der Arbeitgeber Festls aus seinem Pensum.